Manchmal

MANCHMAL

Manchmal
zerreißen die Schleier. Dann passt der Vordergrund zum Hintergrund, die Vergangenheit zur Gegenwart und die Träume zur Träumenden.
Manchmal
verhüllen sie Gelebtes und Ungelebtes und den Unterschied  zwischen beiden. Alles scheint blickdicht und die Augen werden stumpf und müde.
Manchmal
möchte ich mich in die weiche Erde legen und sterben wie ein Vogel, sanft und stumm in weichen Schlummer davon gleiten und ins Kirschblütenland segeln mit den Brüdern Löwenherz.
Manchmal
ist alles so einfach und leicht. Dann möchte ich es festhalten, auf dass es so bleibe. Und indem meine Finger sich schließen, fallen die Hände schon schwer zur Seite . . .
Manchmal
gibt es einen Ruck. Jemand sagt streng, aber mit lockender Stimme:
Du hast die Wahl. In jedem Moment kannst du erwachen, wenn du willst.
Manchmal
bin ich so müde. Zu müde, um wach zu sein. Falle wieder in Dämmerschlaf und finde mich irgendwo in bekanntem Unbekanntem, in karstig steppigen Gefilden, ohne einen Halm, laufe schreiend vor einem riesigen Schatten davon, ohne den Abstand zwischen uns jemals zu verändern.
Manchmal
weiß ich nicht,  was ist mein Leben?  Das, was ich tue, oder das,  was ich nicht tue? Welche Maschen sollte ich besser fallen lassen und welche Fäden zu Ende spinnen?
Manchmal
stehe ich neben mir und schaue mir zu, wie ich alles vermeide, wonach ich mich doch sehne und die Sanduhr ist schon fast durch.
Manchmal
höre ich ein Wort und wie ein Schlüssel ins Schloss passt es in meine Rätsel.
Manchmal
gehen Türen auf, graue Vögel fliegen davon und die Sicht auf lange, lange Tage wird frei.
Auf Körbe voller Trauben,  eine pralle,  unermüdliche Sonne, altes Gemäuer, in dem sich Eidechsen räkeln, auf emsiges Treiben von diesem und jenem . .

Sabine Hönck, Morgenlicht strömt in meine Gesänge, 2002

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Manitou

MANITOU

und wir betrachteten
die gelben Stoppeln auf den Maisfeldern
wo früher mal Wiesen waren
umgesägte Bäume in großen Stapeln am Wegrand und wir
setzten uns auf einen Stamm und
aßen ein Käsebrot
gab nicht groß was zu sehen was Freude gemacht hätte
auf dem Rückweg kamen wir
an einem Bagger vorbei einem mächtigen rostbraunen Bagger
er hatte einen Namen
große weiße Buchstaben auf dem abblätternden
braunen Lack:
MANITOU
mir wurde einen Moment ganz wirr im Kopf
vielleicht wenn es nicht
so kalt gewesen wäre oder wir
einen anderen Weg geradelt wären in ein
anderes Dorf in dem die Läden nicht am Montagnachmittag
geschlossen außer der Apotheke und der Gastwirtschaft
wo es heute Schweineschnitzel gab
nur ein Bäcker vielleicht geöffnet hätte
vielleicht hätte es doch noch
ein ganz netter Nachmittag werden können
so wie das letzte Mal in W. als wir mit
der jungen Bäckersfrau ins Gespräch kamen und sie uns
erklärte was ein LOWCARB – Brot ist und wir das bis dahin
gar nicht gewusst hatten
dabei
wächst auf all diesen Äckern hier schon lange kein Brot mehr

Sabine Hönck, Montags bei Meesenburg, Unterwegstexte, 2017

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Beam me up

BEAM ME UP

Heute wieder ein Scottie – Tag.
Das Leben läuft manchmal im ZickZack, sagte P. gestern, obwohl die meisten eher geradeaus, fast im Gleichschritt, versunken in der TechnoTrance, abgeschaltet, eingestöpselt.
Und während irgendwo was plärrt und Marlene mich zu zwingen versucht, ihre Zigarette mit zu rauchen, schmilzt langsam ein riesiger Heidelbeerbecher in meinem Bauch, der mich auch nicht über all das hinwegtröstet, aber gut geschmeckt hat.
Jemand drückt sein Mobiltelefon in die Fettmatte und jede Menge fast begangener Verzweiflungstaten in der Luft. Bin ich froh, dass der Besuch wieder weg ist, ohne Frühstück. Masken fallen gelassen.
Permanentquatscher und sagt doch, ohne zu erröten, man kommt ja gar nicht zu Wort. Mir bleibt das Wort im Halse stecken. Da ist er am Ziel, jedes Wort wird umgedreht, ausgelegt, gefragt wird nichts.
Ich studiere, wie sich auf diese Weise Universen zusammen basteln lassen. Wahrnehmungsfragmente zu einem im Brustton vorgetragenen SO IST ES geklebt werden. Was den Durchblickkamm schwellen lässt und doch nur zeigt, wie perfekt alles aneinander vorbei rauscht. Sind die Gleise erst mal entgleist, passt nichts mehr, passt kein Wort mehr zum andern.
Eine Missinterpretation an die andere. Habe ich zuviel gemeckert und strahle den jungen Kellner an, um meine Freundlichkeit unter Beweis zu stellen, tue ich das sicher nur, weil er so ein Hübscher ist, höre ich B. im Geiste zischen. Falsche Schlange.
Aber natürlich auch das nur in meinem Geist.
Beam me up, Scottie

Sabine Hönck, Montags bei Meesenburg, Unterwegstexte, 2017

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